Bobby war nicht böse. Das Leben war böse. Die Umstände waren böse. Sein Vater, ja der war abgrundtief böse, aber er? Bobby?
Niemals!
Das zwölfjährige Mädchen Candygirl gerät in die Fänge des Zuhälters ›Schweineschwarte Bob‹, der ihr das Leben zur Hölle macht. Der sadistische Mann setzt alles daran, das zwölfjährige Mädchen sowohl seelisch als auch körperlich zu brechen.
Wie ein Stück Vieh wird das junge Mädchen gebrandmarkt und von einem perversen Kunden an den anderen weitergereicht.
Und was war mit Bobby? Bobby interessierte es einfach nicht, ob es kleine Mädchen oder Jungs waren, er nahm sie beide gern, schließlich waren es doch Gottes Kinder und der Mann hasste Gott.
Abgrundtief!
Michael Merhi… Candygirl…
Nich‘ einfach…
Wer kennt es nicht: das Wechselspiel zwischen der persönlichen Erwartung und dem tatsächlich Dargebotenen. So habe ich bei Candygirl etwas vollkommen anderes erwartet, als mich schlussendlich tatsächlich begrüßte.
Erwartet habe ich eine blutige, gerne übertriebene und, sofern gut umgesetzt, sinnfreie Gewaltorgie – ein kleines Splatterpunk-Manifest auf gut 400 Seiten, dass mich als psychisches Wrack zurücklässt…
…bekommen habe ich Popcorn-Kino im Pop-Art-Stil.
Ich bitte diese Aussage jetzt nicht negativ aufzufassen, sondern vielmehr mit einem gewissen Grinsen auf den Lippen – denn das Letzte, was ich Michael Merhi absprechen kann und will, ist sein unglaubliches Potenzial!
Candygirl erzählt eigentlich zwei Geschichten: einmal die von Robert Dunhill (Bobby) und dann eben die von Candis Bernstein (Candygirl).
Beide eine scheiß Kindheit erlebt, beide eine Entwicklung durchgemacht, Täter, Opfer, tralala…
Man sehe mir meine etwas entnervte Unverblümtheit nach, nur reagiere ich auf überwürzte "Herzschmerz-Suppe" äußerst allergisch – insbesondere, wenn man merkt, dass der Autor auch anders könnte, würde ihm der Lektor nur mal auf die Finger kloppen!
Nunja… ich schweife ab.
Interessant fand ich die Tatsache, dass es mir nicht möglich war, eine gefestigte Beziehung zu einem der Protagonisten aufzubauen. So blieb weniger eine unüberschreitbare Distanz, als eine gewisse Sterilität, mit der die mitunter schon beinahe pathetischen (Gewalt-)Darstellungen zeitweilig in eine groteske Posse abglitten: schocken um jeden Preis.
Die mich nun also weniger berührende, stete Anstrengung der bewussten Überschreitung, verlangte dem Nervenkostüm zwischenzeitlich eine gewisse Toleranz ab – man sieht sich bisweilen einer ernüchternden Persiflage des Rumpelstilzchen-Syndroms ausgeliefert: mehr, lauter, härter, brutaler.
Und so zappeln nun also unterschiedlichste Ausschreitungen in zeugungswilligen Termini, unfruchtbar vor den Augen des Lesers dahin…
Vermisst habe ich persönlich einfach die Glut zwischen den Zeilen – dieses schwelende Feuer, das die Grundfesten der Überzeugung dahinschmelzen und am eigenen Weltbild zweifeln lässt – das Potenzial dazu ist nahezu greifbar! Stattdessen aber, erwartete mich immer mal wieder die ein oder andere Ohrfeige – wahrnehmbar, aber eben nicht bewegend – nicht ausschlaggebend oder gar essentiell; "Klapps"fertig.
Auf der Aussage begründet, Candygirl beruhe auf einer wahren Begebenheit, möchte ich Merhis Werk als eine recht "musengeschwängerte" Biographie betiteln.
Zweifelsohne hat Michael Merhi Potenzial, zweifelsohne ist Candygirl ein nettes Buch, mit einem gewissen "Hausfrauen-Schocker-Potenzial" – doch bleibt in der Realität die Theatralik meist nur den Hinterbliebenen und nicht den Opfern zum Geschenk – und hier wird die Scheiße eben noch allzu oft als Dünger, denn als stinkende Ausscheidung verwendet. In einem solchen Buch, sollen meinetwegen die Geschwüre triefen, nicht aber die Handlung!
Es ist weniger dreckig, als bisweilen offenlegend, weniger schockierend, als unterhaltsam und weniger hart, als beschreibend – ein durchaus massentaugliches Drama.
Nun mag das alles sehr viel schlimmer klingen, als es eigentlich gemeint ist!
Michael Merhi hat mit Candygirl ein handfestes Debüt auf den Markt gebracht, welches durchaus ein paar Stündchen zu unterhalten weiß. Wirklich schön war, dass man Merhis Leidenschaft zum schreiben immer wieder gespürt hat – und ist das nicht wichtiger, als alles andere…?
Ich will nicht lügen oder Dinge schön reden: lange habe ich mit mir gehadert, ob ich nun drei oder vier Drachen vergeben sollte.
Die Entscheidung zu vier Drachen (wenngleich nur sehr knapp) basierte insbesondere auf der Tatsache, dass es sich um ein Debüt handelt – hier gibt es einfach noch den Welpenbonus! Und nebenbei wusste Candygirl mich zumindest temporär zu unterhalten…
Was mich wirklich so stinksauer an diesem Magerschinken macht, ist das verdammte Talent, welches augenscheinlich in Michael Merhi schlummert – das Biest muss nur mal wachgerüttelt werden!
Das eingangs erwähnte Grinsen trage ich noch immer auf den Lippen – weniger wegen Candygirl, als dem, was wir von Merhi mit Sicherheit noch erwarten dürfen!
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