Erstmals verfassen drei AutorInnen ein »Requiem der Sprache«: Ihre Totenmesse vertraut dem Wort, verzichtet gänzlich auf Musik und ist keiner Religion verpflichtet. Bewusst wird außerdem so manch Denkgewohntes infrage gestellt; denn der Tod kennt keine Konfession und keine Überzeugungen. »Requiem – Fortwährende Wandlung« fokussiert primär den Charakter des Veränderlichen allen Lebens – sei es menschlich, tierisch oder pflanzlich. Denn es sind unzählige Wandlungen, die alles Dasein in seiner Gesamtheit prägen, bevor das Sterben als letzte große Wandlung beginnt. Die finale Metamorphose ist jedoch der Tod. Ebenso im Mittelpunkt steht die Frage des Umgangs mit dieser Unausweichlichkeit: Geboren, um zu sterben – will man es auf den Punkt bringen. Darin schwingt jedoch auch implizit die Reflexion des »Wie leben? « mit – wie leben, damit die Zeit der Metamorphose aus unserer Sicht »gut« genannt werden kann, und was hinterlassen wir allem Danach. »Requiem – Fortwährende Wandlung« wurde im Mai 2017 in der Pfarrkirche in Gaubitsch (NÖ) als Liturgische Feier unter Anwesenheit des Pfarrers Christian Wiesinger von den drei AutorInnen Marlen Schachinger, Michael Stavaric und Markus Orths uraufgeführt und liegt nun als Buch im Septime Verlag vor.
…am Anfang war das Wort, und das Wort hieß »sterben«, und die Ergänzung »müssen« beschwor seine Unausweichlichkeit, und das Wort hallte in uns wider, und das Wort erschreckte. Am Anfang war der Wunsch, von all dem niemals zu wissen. Und das Wort wurde Kunst, und mit dieser Unruhestifterin verwandelte es sich in Geschichten, und in den Geschichten wuchsen Bildwelten, und wir hörten und lasen sie, und sie wandelten auch uns im Wahrnehmen und Erleben. Und am Ende war noch immer das Wort, und das Wort heißt weiterhin »sterben«, und die Ergänzung »müssen« beschwört nach wie vor seinen unausweichlichen Charakter, doch die literarischen Arbeiten von Marlen Schachinger, Michael Stavaric und Markus Orths hallen in uns wider, sie spiegeln das Leben in allen Facetten, sie spiegeln uns den Tod, und sie geben uns Kraft der Sprache und ihrer Verwandlungskunst im Rahmen ihrer liturgischen Feier »Requiem« ihre Erzähluniversen, und das ist noch immer nicht das Ende, denn im Kehraus feiern wir: das Leben…
Religion als Exkurs einer literarischen Darbietung in Form eines Requiems – in Form einer fortwährenden Wandlung ebendieses und dadurch nicht einfach als Missa pro defunctis, doch Metamorphose, Genesis und Exitus; Glaube. Denn gerade abseits dieses obstinaten Defensivismus der Religion, birgt es den Glauben, der nicht zeitgebunden, der selbst Moment und Wirklichkeit inkarniert, reinkarniert – re- – denn wieder und wieder, in die Endlichkeit, in das Ende den Anfang als Requiem glaubt.
Statt in fahlen Wortschemen einen nostalgischen Urtypus götzengleich zu manifestieren, spielen die Schöpfer (Autoren) hier mit Kreation & Ursprung, dem Gestern nicht im diffusen Neonlicht der postmodernen Dringlichkeit das Antlitz neu zu formen, doch den heutigen Respekt zu zollen. Eine Entwicklung weniger als Evolution, denn als Entfaltung; sprich: den Ursprung nicht hinter sich vergangen wissen, sondern ihn als Genese der Mannigfaltigkeit blühen lassen.
Ein unbeschrittenes Utopia, welches aus den Urängsten des Lebens – als dessen Ende, eben schlimmster Feind: das Ableben; die Egomanie der Kreation – die unbedingte Strenge nimmt und vielmehr eine Allgegenwärtigkeit schafft; ein Atmen – ein und aus – ein stetes sterben und gebären, das statt der Perspektive, gleich, ob ungeahntem (Wahn-)Sinns oder wohl postuliertem Wahns(-inns), Aussicht, Panoramen fremder Inbrunst charakterisiert, nur des Sterbens willen: wahrhaft, todhaft… sein.
Welch ein herrliches und bewusst fassungsloses Spiel mit der Unausweichlichkeit, welch zügellose Stilistik, die die Grundsätzlich des Althergebrachten offeriert, welch ungebundenes Verhältnis zum muss – und somit darf.
Es ist schon beinahe ein Poetry-Slam, der auf literarische Obsession trifft, sich mit konstatierter Imagination löst – auflöst – und weniger folgt, als schreitet, beschreitet und weichenlos bewegt.
Weniger Weg – Ausweg – , noch Ziel – ziellos – , denn Option, Möglichkeit und prägnantes "-Od" – nicht "Klein-": umfassend!
Tatsächlich ist es nicht das Korsett: reizend, (froh?)lockend – eingeengter Schönheitswahn, der in Dramaturgie verblüht; Requiem…
…nicht der Mantel: wärmend, (ver?)hüllend – billige Polyesterfetzen, die im feuchten Braun verrotten; Totenmesse…
Es ist das Firmament: weit, (all?)umfassend – fortwährende Wandlung, Kyrie eleison!; Sakrament.
Gepaarte Litaneien, die, gegensätzlich der Absolution, für jeden – gleich dem Dank, der nicht vergeben braucht, da ohne Schuld – klingen. Sich wissen hinzugeben, nicht unkontrolliert doch unwegsam, un-: denn gestorben wurde gestern.
Eine Schöpfung als Dekonstrukt, die im ersten Moment Wagnis, sich alsbald als Wahrheit selbst negiert, da in sich die größte Lüge: was ist größerer Trug, als die Wahrheit nicht zu lügen – oder Lüge wahren…
Denn ›glauben‹ heißt nicht ›wissen‹ – doch weiß ich zu glauben.
Marlen Schachinger, Michael Stavarič und Markus Orths kreieren mit Requiem: Fortwährende Wandlung eine Melodie als Wort. Gesang als Zeile und Requiem als…
…Kunst-werk?
Be-schwerlich.
Kunst braucht Natur, braucht Mensch, der Natur definiert in seiner Kunst.
Doch ist "Gott" nicht außerhalb der Menschlichkeit? – nicht kunstlos, nicht unnatürlich; nicht?!
…Meister-werk?
Niemals!
Denn wo keine Wahrheit, da kein Wert!
Wertigkeit.
-keit!
Kein -keit: keitlos!
Werk?
Warum nicht einfach "Sein"?
Warum nicht einfach…
Warum…?
Keitlos –
Ist.
[…] Buchmesse 2017 beim Stand vom Septime Verlag ein Buch, an welchem Michael Stavarič mitwirkte (Markus Orths, Marlen Schachinger, Michael Stavarič: Requiem – Fortwährende Wandlung) – und er begrub mich förmlich unter seiner Wucht, nur um mich als Phönix auferstehen zu […]