In einer fernen Zukunft wird die Erde nur noch von wenigen Menschen bevölkert. Sie führen in ihren jugendlichen Körpern ein Leben, das viele Jahrhunderte währt, und manche von ihnen besitzen eine Gabe: Einzig durch ihren Wunsch und eine flüchtige Berührung sind sie fähig, Materie zu beseelen.
In dieser wundersamen, von einer bizarren Mechafauna dominierten Welt lebt Ninive, die auf der Suche nach uralten Relikten das Hochland durchstreift, um längst vergessenen Dingen Leben einzuhauchen und sich ihre Geschichten zu lauschen.
Das alles beherrschende Bauwerk ist eine vier Kilometer hohe Mauer, von der niemand weiß, wozu sie einst errichtet wurde und wovor sie die Menschen und Maschinen seit Jahrtausenden schützt – bis ein Gesandter aus der letzten Stadt im Hochland auftaucht, der den Auftrag hat, die Bannmauer zu bezwingen. Und er ist der nicht der einzige, der die verlorene Passage in die Welt dahinter sucht…
„Der Kanon mechanischer Seelen“ ist eine Hommage an Stanislaw Lems „Kyberiade“ und seine Robotermärchen, an Miyazaki-Trickfilme wie „Chihiros Reise ins Zauberland“ und „Das wandelnde Schloss“, an Michael Moorcocks „Am Ende der Zeit“, humorvoll versponnen und garniert mit einem Schuss „Alice hinter den Spiegeln“.
Wie soll man ein Buch rezensieren, auf welches der Autor schützend und stolz seine Hände legt und mit dem Blick einer Mutter in die Runde sagt: "Das bin ich."?
Wie soll man ein Buch rezensieren, welches auf 714 Seiten, das Wissen und die Leidenschaft eines, wenn nicht gar des größten deutschsprachigen Science-Fiction-Autors zu einem Werk – einer Darbietung – verbindet?
Wie soll man ein Buch rezensieren, welches selbst kaum Worte findet sich zu definieren und somit einfach zeigt… einfach ist und einlädt gemeinsam diese Reise anzutreten.
Ein solches Buch sollte man nicht rezensieren; man sollte schwelgen…
…und eben dieses will ich tun.
Otherland Bookshop Berlin.
18. Januar 2018
Es ist soweit. Endlich! Tatsächlich stehen wir hier im Nieselschauer vor der Tür zu unserem offiziellen Bookdealer und warten auf Einlass.
Nein, warten auf ihn – warten auf diesen einen, den ich im leichten Grau dieses Berliner Abends endlich ausmache, wie er über die Straße direkt auf den Laden zusteuert: Michael Marrak.
Der Kanon mechanischer Seelen.
Vor einem Jahr, gefühlt Jahrzehnten, durch Zufall in der Verlagsvorschau von Amrûn entdeckt und als Wunsch vermerkt, wuchs aus ihm ein Traum, ein Mysterium und schon beinahe eine Illussion.
Ein wenig wurde dieses Buch zu "Duke Nukem Forever", welches nach Jahren der erneuten Verschiebung der geplanten Veröffentlichung nur mit "when its done" ausgewiesen wurde.
When it’s done… happened!
Bereits die ersten Seiten ließen mich erneut Kind sein. Ließen mich erinnern, wie ich mit großen Augen auf den Röhrenfernseher starrte, als der Videorekorder meines Onkels Nausicaäs (Nausicaä – Prinzessin aus dem Tal der Winde, Hayao Miyazaki, 1984; OT: Kaze no Tani no Naushika; engl. Nausicaä of the Valley of the Wind) Begegnung mit einem Ohmu von der VHS-Kassette wiedergab.
Alsbald erwachte die Küche Caractacus Potts‘ (Tschitti Tschitti Bäng Bäng, Ken Hughes, 1968; OT: Chitty Chitty Bang Bang) zum Leben und tanzte vor meinem inneren Auge…
…und so durfte ich Ninive und ihre skurril-grotesken Mitstreiter begleiten, auf ihrer Reise zur großen Mauer.
Ich durfte Kind, Leser, Begleiter und Erlebender sein – durfte rätseln, wissen und lachen.
Die Vielfalt (und selten trifft dieses Wort einen Sachverhalt besser als hier) mit welcher Marrak den Kanon erklingen lässt, ist schwer zu um- und kaum zu beschreiben – am einfachsten scheint der Versuch Gefühlsanalogien zusammenzufassen…:
Pablo Picasso malt zu Djelem Djelem (Barcelona Gipsy Klezmer Orchestra) beispielsweise haben auf ihrem Album Imbarca eine wunderschöne Version eingespielt) Salvador Dalí, einen Scheibenwelt-Roman lesend, in der Nautilus auf dem Weg nach Atlantis, um Khazad-dûm zu erkunden, wo Lord Gamma auf seine Enthüllung wartet…
Was Der Kanon mechanischer Seelen so besonders macht, birgt die Komplexität mit der dieses Werk wirkt – denn eben darum bittet es: Zeit zu wirken!
So handelt es sich hier definitiv um kein Buch, welches man nebenbei einfach einmal so liest. Keine Berieselung oder stumpfer Zeitvertreib – man muss es genießen, muss bereit sein, das Abenteuer einfach geschehen zu lassen, muss es wirken, muss es sich setzen lassen.
Wie bei einem guten Whisky, ist es nicht der Moment der Wahrnehmung, sondern die Entfaltung des Verstehens um den Geist, den er in sich trägt; wie bei einem schönen Parfum ist es nicht der Duft selbst, sondern die Interpretation der wiederkehrenden Erinnerung, die umgarnt…
Michael Marrak hat hier weniger geschrieben, was vorher noch nie geschaffen wurden, sondern viel mehr geschaffen, was vorher noch nie geschrieben wurde – ein Hard Science Fantasy Dungeon, welches weniger bewusst, als wahrhaftig gelesen werden darf – denn dieses Werk will nicht müssen, es bittet zu dürfen.
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