Gefangen gehalten von mehreren Ärzten, die ihr einreden, dass alles nur zu ihrem Besten sei, hat die 15-jährige Hillary keinerlei Erinnerungen an ihre Vergangenheit.
Doch Hillary ist alles andere als ein unschuldiges Mädchen.
Hillary Greyson ist die brutalste Serienmörderin aller Zeiten.
Nun müssen auch ihre Ärzte erleben, was es heißt, in das Visier einer Psychopathin zu geraten, noch dazu einer, die alles abschlachtet, was ihr in die Quere kommt…
Vom Cover viel zu lange täuschen lassen, fristete dieses Buch doch eher ein Schattendasein in meinem Bücherregal.
Ja, der Plot klang durchaus vielversprechend, die Rezensionen versprachen ein krankes Schlachtfest…
…aber irgendwie konnte und wollte ich mir das nicht so wirklich vorstellen können.
Alsbald erschien es dann auch in der Jahres-Vorschau vom Festa-Verlag – hier sogar in der Extrem-Reihe… also habe ich mich vielleicht doch einmal wieder vom Cover täuschen lassen?
So oder so: es dauerte noch einmal ein paar Monate, bis ich Hillary: Tail of the Dog eine Chance gab…
…wie konnte ich nur so dumm sein, das Buch so lange liegen zu lassen?!
Ein junges Mädchen – 15, vielleicht 16 Jahre alt…
Bereits hier dürfte klar sein, dass wir uns an einer der vielen berühmten Grenzen entlang schlängeln – sie eventuell sogar betreten: Kinder.
Es sei also von Beginn an gesagt, dass sich dieses Buch, dass sich diese Trilogie, um ein Mädchen (ein Kind) dreht; dass es Splatterpunk ist und man daher auch mit sexueller Gewalt rechnen muss!
…Grenzen.
Spätestens seit Jack Ketchums (†) grandiosem Werk The Girl next Door (Warner Books, 1989; dt.: Evil, Heyne, 2006) hat sich gezeigt, dass eine Grenze nur der Moment des Zögerns ist, den die Realität nicht kennt.
Und so wie Ketchum, weiß auch Angel Gelique um diese Realität…
Angel Gelique lässt mit Hillary: Tail of the Dog den Beginn ihrer Trilogie um Hillary wachsen – ein Mädchen, welches nackt und ohne Erinnerung im Unbekannten erwacht.
An ein Bett gefesselt, von Fremden beäugt, befragt…
…und berührt.
Das einzige, was ihr bleibt, ist der Wille zu entkommen – ist der Wille sich zu erinnern…
…das Einzige, was ihr bleibt, ist ihr Wille!
Sie sagen, sie wollten ihr helfen, doch lassen sie nicht gehen.
Sie sagen, es wäre alles geklärt, doch lassen sie nicht mit anderen sprechen.
Sie fragen, an was sie sich erinnern kann – fragen so viele Dinge, sagen immer das gleiche…
…SIE LÜGEN!
Was auch immer passiert sein mag, diese Menschen lügen und Hillary ist ihnen hilflos ausgeliefert…
Angel Gelique hat es nicht eilig. Sie hofiert förmlich die Albträume, über die man nie sprechen will. Sie lässt den Leser nicht einfach den Schweiß riechen, der die zarte Haut benetzt – sie aphrodisiert die Unschuld; das Vorspiel der letzten Konsequenz, wird zu einem lasziven Tanz der Unausweichlichkeit.
Circa dreiviertel des Buchs liest man von Hillary – liest von der Unbekannten, dem Mädchen, der Unschuld; der Frage, der Unsicherheit nach dem Warum, ja letztlich der Gewissheit, um dieses Unaussprechliche, dass dort hinter den blauen Augen wartet.
Circa dreiviertel des Buchs liest man von Hillary…
…und dann erlebt man sie!
Angel Gelique balanciert förmlich, weniger vorsichtig als bisweilen mit erschreckender Sicherheit, auf einer ethischen Grenze.
Hillary: Tail of the Dog ist kein typischer Revenge-Torture-Roman. Statt sich im Blutbad zu suhlen, lässt Angel Gelique Hillary wachsen – nicht das Massaker steht hier im Vordergrund, sondern der Mensch; das Mädchen und ihre Geschichte.
Die tatsächliche Grausamkeit findet sich somit weniger im letzten Viertel des Buchs, als dem Verständnis um ihr Handeln.
Die wortwörtliche Entfesselung von Hillary, ist eine Darbietung unbändigen Hasses. Angel Gelique schafft es, den Wahn, den zügellosen Trieb der Rache, als pure Essenz der Mordlust dazustellen. Statt eines Massakers, wird hier die Übermacht des Todes zelebriert. Aus dem anfänglichen Psychothriller, um das Geheimnis eines Mädchens und dessen Entführer, schält sich ein Splatterpunk-Thriller par excellence:
Jack Ketchums The Girl next Door (Warner Books, 1989; dt.: Evil, Heyne, 2005) trifft auf Ryan C. Thomas‚ The Summer I died (Coscom Entertainment, 2009; dt.: Der Summer als ich starb, Festa Verlag, 2016) und erfährt noch eine Prise von Cecille Ravencrafts Im Zentrum der Spirale (Verlag Torsten Low, 2010).
Ein weiblicher Matt Shaw, mit Millers Brutalität, Whites Detailverliebtheit und O’Rourkes Terror – eine widerliche (und das ist hier nun bitte als größtes Kompliment zu verstehen) Komposition aus den extremen der menschlichen Morbidität.
Auf eine gewisse und durchaus groteske Art und Weise, hat Angel Gelique mit Hillary eine morbide Anti-Heldin geschaffen, der man im Moment des Urteils vergibt – über die man im Augenblick des Vergebens richtet…
…der man nur verzeihen kann, da man ihr nicht vergeben darf!
Hillary Greyson: The other girl next door…
…zur Übersetzung
Die Übersetzung ist ok – inhaltlich lässt sich hier nichts beanstanden, doch ist sie auch höchst interpretativ. Heiner Eden hat stilistisch nicht mehr viel übrig gelassen, was noch an den ursprünglichen Stil von Angel Gelique erinnern lässt. Hier wurde gedolmetscht, nicht aber übersetzt!
Ist ok, aber eben auch nicht mehr.
Weniger unglücklich, als vollkommen missraten, ist allerdings der Klappentext.
Bei aller Liebe und gut gemeintem Verständnis: warum nicht auch gleich das Ende mit auf den Buchrücken drucken?!
Gerade das Geheimnis um Hillary ist ein intelligent eingesetztes Stilelement, welches den Leser zu Beginn des Buchs in dieser herrlichen Mixtur aus Unwissenheit und Wahrscheinlichkeit bettet – alternativ kann man’s natürlich auch kaputt machen.
Eventuell sollte man hier darüber nachdenken zukünftig besser einfach den original Klappentext zu übersetzen, als mal eben einen Teil der Story zu verraten.
Sorry, aber sowas macht mich echt sauer!
Das Cover hat für Festa-Verhältnisse direkt einmal einen Bezug zum Inhalt (nein, das ist nicht normal bei Festa!) – meckern auf hohem Niveau: so furchtbar das Original-Cover ist, hätte man sich doch ein wenig mehr von diesem inspirieren lassen können (Stichwort: Augen).
Jetzt aber genug (eben Festa-typisch auf hohem Niveau) kritisiert!
Einmal wieder hat Festa ein geniales Werk über den großen Teich gebracht – danke hierfür!
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