Vincent Voss – Faulfleisch

Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, kommen die Toten nach Wakendorf II.

Wegen der Kinder waren sie aufs Land gezogen. Hatten die Großstadt Hamburg gegen die Gemeinde Wakendorf II eingetauscht.

Doch das Landleben ist nicht ganz so beschaulich, wie Liam es sich vorgestellt hat. Erst trifft er bei einem Spaziergang auf einen nackten, gefesselten Mann, dann vermeint er hinter einer Fensterscheibe eine blutige Hand zu sehen.

Als Liam in der Alsterniederung einen blutigen Fund macht, überschlagen sich die Ereignisse.

Und die Pforten der Hölle öffnen sich.

 

Zombies.
Zugegeben, ist das bis heute ein für mich recht empfindliches Thema. Mal davon abgesehen, dass mir der Zombie-Mythos so manchen Abend meiner Kindheit so richtig versaut hat: "Night of the living Dead", "Zombie", schlichtweg das, was George A. Romero (RIP) geschaffen hat.
Hundertausendfach verfilmt, vertont und in Schriftform auf die Menschheit losgelassen – mal besser, mal schlechter; oder eben durch Hollywood versaut!
Die letzte für mich wirklich gute Zombie-Umsetzung waren Kirkmans "The walking Dead"-Comics.

Und jetzt also wieder ein Zombie-Roman. Nicht von Romero adaptiert, nicht von Kirkman interpretiert, sondern von Voss geschaffen.

Ich möchte ehrlich sein: ich habe dieses Buch lange links liegen lassen.
Ich kannte Vincent Voss nicht – wusste schlichtweg mit dem Namen nichts anzufangen. Und dann war da eben noch das Cover. Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten, aber jetzt mal ehrlich…
Bevor ich jetzt jedoch komplett vom Thema abkomme, erstmal zum Buch…:

Liam, Vater von Jack (Jonathan), der kleinen Lina und Lebensgefährte von Sandra (mit der es zur Zeit nicht so klappt), ist nach Wakendorf II gezogen, um seine Beziehung zu retten. Irgendwie klar, dass das alles nicht so ganz harmonisch abläuft, wie geplant – oder eben so garnicht funktioniert.
Jack hat Probleme sich einzuleben, mit Sandra knallt’s immer wieder und Lina… klar bleibt die bei der Mutter.

Letztlich spielt sich hier die typisch deutsche Tristesse ab: Beziehung ist gerade "kompliziert", häusliche Trennung, um wieder zu sich selbst zu finden, Kind im Wechselmodell… und das alles in irgend so ’nem Bauernkaff mit Depressionsgarantie.
So weit, so gut (oder eben nicht). Und hier beginnt bereits, was ich an Voss so liebe: die Banalität! Der Alltag, mit dem Voss den Leser unbemerkt in seine Welt zieht… und dort auf ihn lauert.

Liam vegetiert nun also in diesem Kaff vor sich hin, bis er eines Tages durch Zufall, bei einem Spaziergang auf einen Hof trifft, von dem er merkwürdige Geräusche zu vernehmen glaubt.
Selbstverständlich treibt ihn die Neugierde in Richtung der Geräusche…

…und der Rest darf gerne selbst gelesen werden! Soviel sei gesagt: dieses Buch ist absolutes Pflichtprogramm!

Fernab der gewöhnlichen und bisweilen auch ermüdenden Zombie-Action-Splatter-Blut-Thematik, in der man sich für gewöhnlich binnen weniger Seiten wieder findet, darf man hier alles miterleben – statt mit einem Fakt konfrontiert zu werden, partizipiert man schon beinahe mit den Widrigkeiten, die aber eben durch ihre Normalität so furchtbar real wirken.

Dani Filth (Cradle of Filth) meinte einmal, er wünschte sich ein Leben, wie im Fernsehen – ohne die ganzen Klogänge und so weiter; und eben das macht Faulfleisch so besonders!
Betrachtet man die "gewöhnlichen"-Romane, so liegt der Hauptaugenmerk auf den Zombies: drei Seiten erinnern an eine Zeit ohne Zombies, 300 Seiten Zombie-Apokalypse uuuund Ende! Wie unglaublich dankbar bin ich also für einen Vincent Voss, der eben kein "Fernseh-Leben" schreibt, sondern aus der Alltäglichkeit, aus der Normalität, wie sie ein jeder von uns zu kennen glaubt, eine Möglichkeit erschafft, der man nicht mehr entkommen kann!

Das Ächzen aus der alten Scheune, die im Hinterhof ihren Schlaf hält, das Wackeln des Vorhangs, der den Augenblick hinter sich verbirgt, der Schatten im Flur, der sich lichtlos durch die Leere frisst…

Es ist die Interpretation, die unvermeidliche Erklärung, das beklommene Wissen, um die Furcht, aus welcher Voss diesen Horror sprießen lässt.
Aus tanzenden Schemen, lässt er den Nebel wachsen, der sich seimig zu einem unaufhaltsamen "Jetzt" manifestiert und als Perspektive – Schicksal! – sich selbst erbarmungslos niederreißt…
…und frisst!

Voss bedient mit Faulfleisch nicht die blutgeile Stupiditätsberieselung – er erzählt nicht einfach den Beginn, er veranschaulicht die Entwicklung des Endes!
Ein Buch, welches über die Hälfte der Geschichte darauf verwendet, den steten Zerfall des Bekannten darzustellen, den Leser zu jagen, ohne ihn zu überrollen, zu fassen, ohne ihn zu unfreiwillig zu halten, zu beißen, ohne ihn zu verjagen, zu infizieren, ohne ihn zu verlieren…
…das ist Vincent Voss.
…das ist Faulfleisch!

Und folgt Voss beim Ende des Buches schließlich den Worten Woody Allens: »eternity is a long time, especially towards the end« (»die Ewigkeit dauert lange, besonders gegen Ende«), lässt er den Leser selbst danach noch nicht alleine, sondern schenkt ihm… HUNGER!.

Faulfleisch ist das Buch, durch welches Vincent Voss mich endgültig als treuen Fan gewonnen hat.
Hier findet zusammen, was zusammen gehört: einer der besten Zombie-Romane, veröffentlicht von einem der besten Verlage!

 

 

Vincent Voss - Faulfleisch

 

Autor:
Titel:
Auflage:
1. Auflage
(2012)
Seitenzahl:
352 Seiten
Verlag:
Ausgabe:
Taschenbuch
(auch als eBook erhältlich)
ISBN:
978-3-940036-17-9

 

Kategorien

Schlagwörter

Verfasst von:

Ph'nglui mglw'nafh Cthulhu R'lyeh wgah'nagl fhtagn

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.