In der Dunkelheit eines unterirdischen Höhlensystems jagen blinde Kreaturen einzig mit Hilfe ihres Gehörs. Als sie aus ihrem Gefängnis entkommen, schwärmen sie aus und töten alles, was nur den geringsten Laut von sich gibt.
Zu schreien, ja sogar zu flüstern bedeutet den sicheren Tod.
Als die Horden über Europa herfallen, trägt ein britisches Mädchen fieberhaft sämtliche Informationen über sie zusammen. Seit Jahren taub, weiß Ally, was es heißt, in absoluter Stille zu leben. Und dieses Wissen ist bald die einzige Chance für sie und ihre Familie, zu überleben. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach einem abgelegenen Zufluchtsort, um das Ende der Bedrohung abzuwarten.
Doch was für eine Welt wird noch übrig sein, wenn die Vesps sie verlassen haben?
Assoziationen können durchaus interessant sein: man sieht den Titel eines Buchs, liest den Klappentext und schon geht es los…
So eben auch bei The Silence; dem Bestseller von Tim Lebbon, welcher nun nicht nur verfilmt wird, sondern dank des Buchheim Verlags auch seinen Weg nach Deutschland gefunden hat – in einer wahrlich wunderschönen Edition; dazu aber später mehr.
Assoziation.
Da hört man immer wieder von The Silence und liest den Vergleich mit Malermans Bird Box (HC: Bird Box − Schließe deine Augen, Penhaligon Verlag, 2015; TB: Der Fluss. Deine letzte Hoffnung, Blanvalet Verlag, 2016; Neuauflage: Bird Box − Schließe deine Augen, Blanvalet Verlag; OT: Bird Box, Harper Voyager, 2014) – ein Buch, das mir sehr gut gefallen hat.
Und so bin ich nun eben mit dieser Assoziation an The Silence herangegangen: ein Werk ala Bird Box…
…weit gefehlt und doch so richtig!
Was die beiden Bücher so gleich macht, ist ihr Unterschied:
Bird Box lebt vom Unbekannten – strenggenommen könnte man es schon als modernen Gothic Horror bezeichnen.
Es kriecht förmlich dahin und reißt den Leser mit sich!
The Silence kriecht nicht – vielmehr erhebt es sich als Unvermeidlichkeit. Auch reißt es den Leser nicht mit, sondern bietet sich (ungeschminkt) an; es spricht nicht einfach nur aus, sondern prophezeit!
Wo Bird Box von der Zeit danach berichtet, erzählt The Silence von der Zeit davor – zeigt (einfach) die Zeit selbst.
Assoziation?
Wollte man The Silence mit einem anderen Werk vergleichen, wäre Schätzings Der Schwarm (Kiepenheuer & Witsch, 2004) tatsächlich die bessere Wahl.
Statt dem individuellen Schrecken, von dem Bird Box eben lebt, zeigt sich The Silence als kollektiver Untergang.
Durchaus könnte man auch ein wenig an ältere Werke von King denken, doch lenkt Lebbon den Blick anders – es ist weniger ein visieren, denn ein fokussieren, ein Sammeln des Gesamten, ein diffuses reflektieren des Kontinuums.
Tim Lebbon besitzt einen unverkennbaren Stil, den er hier bis zur Perfektion auszureizen weiß.
Er kostet die Schatten der Trivialität voll aus – findet die Schrecken und (Un)Möglichkeiten, zeigt das Vergessen und Verdrängen auf; doch schockt nicht! Nein, er verführt nicht, er lockt nicht, noch lädt er ein – er lässt die Türe lediglich offen stehen…
Für mich brilliert The Silence, wenngleich tatsächlich nicht mein Lieblingswerk von Lebbon, durch seine Ganzheitlichkeit:
Horror, der eine gähnende Tiefe schafft, Action, die für Tempo sorgt und Trauer, welche die Angst in sich trägt.
The Silence: die Stille, das Schweigen – der Titel könnte kaum passender gewählt worden sein!
So zeigt Lebbon die (fürchterlichsten) Facetten der Stille:
ihr Schreien… ihr Toben… ihr Verstummen… ihr Aufbegehren… ihr Schweigen.
Trotz all der (vermeintlichen) Stille sollte man sich hier nicht in die Irre führen lassen: The Silence spielt nicht – Lebbon gewährt nicht das Entkommen, oder in diesem Fall passender: das (freiwillige) Hinabsteigen, in (s)eine Fiktion, vielmehr kreiert er eine Wirklichkeit innerhalb der Realität!
Womöglich ist es sogar genau dieses Abwägen der Möglichkeiten, die The Silence den Schrecken schenken.
Die Idee, jedes Kapitel mit irgendeiner Art von Nachrichtenmeldung einzuleiten, ist einfach, wie genial: Lebbon trägt die Story so förmlich aus der Fiktion in das Jetzt; schenkt ein Heute, ohne Morgen…
The Silence ist kein Sog, es ist ein Schlund – doch will sich in ihm nicht die Hölle aufzeigen, sondern unser aller Morgen widerspiegeln…
Und jetzt ruhig!
Die Vesps kommen…
…zur Vorzugausgabe des Buchheim Verlags
Olaf Buchheim hat es sich zum Ziel gemacht nicht einfach nur Bücher zu veröffentlichen, sondern Werke zu schaffen – mit The Silence macht er hier keine Ausnahme!
Das erste, was mir auffällt ist der Titel: er ist nicht übersetzt; danke!
Ich sage es immer wieder: man muss nicht immer krampfhaft alles übersetzen (wollen)!
Die Übersetzung hat Olaf Buchheim Charlotte Lyne anvertraut.
Eine Sache die mir beim Original so gut gefallen hat: man merkt, dass Lebbon Brite ist! Und wie auch immer Lyne es geschafft hat, transportiert die Übersetzung dieses "non-american"-Feeling! Das Lesen macht einfach Spaß, bremst nicht aus und lässt alsbald gar vergessen, dass man eine Übersetzung in den Händen hält.
Ich habe es schon gesagt: ich bin kein Freund zwanghafter Übersetzungen – nein, man muss nicht jedes einzelne Wort übersetzen und ihm so unweigerlich etwas nehmen! Und was bin ich hier Charlotte Lyne dankbar, dass sie eben keine kläglichen Versuche unternommen, sondern einfach gehandelt hat: "Vesps" blieb "Vesps" und wurde nicht zu dem von mir befürchteten "Wespen" mutiert!
Ein kleines Goodie am Rande: die Daten wurden auf 2019 angepasst – im Original spielt es in 2016.
Ich find’s schön, da es wieder ein wenig der Leidenschaft widerspiegelt, die hier eingeflossen ist.
Die Aufmachung des Buchs ist (einmal wieder) schlichtweg wunderschön!
Olaf hat es sich nicht nehmen lassen Daniele Serra für die Illustrationen zu engagieren – für meinen Geschmack eine sehr gute Wahl, da Serras Stil einfach zu diesem Buch passt.
Kein Meckern, sondern lediglich eine persönliche Anmerkung: so schön die Vesps auch geraten sind, werden sie im Buch doch ein wenig anders beschrieben – keine Kritik, einfach nur Fakt.
Neben acht ganzseitigen Illustrationen birgt beinahe jede Seite ein liebevolles Detail, das die Geschichte ein wenig visualisiert – und wir sprechen hier tatsächlich von einer komplett farbigen Innengestaltung: selbst die Seitenzahlen sind farbig!
Das Papier ist nicht reinweiß, was wiederum absolut passend ist und wunderbar mit den Illustrationen harmoniert, der Druck ist scharf und es lässt sich alles mühelos lesen.
Abgerundet wird das Ganze mit den Signaturen von Tim Lebbon und Daniele Serra, sowie der Limitierung auf 777 handnummerierte Exemplare.
Hier nun ein paar Bilder dieser wunderschönen Edition (Bilder sind vergrößerbar)…:
Schreibe den ersten Kommentar